(Berlin) – Überarbeitete Krankenpfleger, kaum Zeit für Patienten, enormer Kostendruck: Missstände im deutschen Gesundheitssystem sind seit Jahren heiß umstritten – die Lage für die Hunderttausenden Angestellten in Kliniken und Pflegeheimen ändert dieses aber nicht, kritisiert OP-Schwester Jana Langer. In einem Hilferuf auf Facebook an Kanzlerin Angela Merkel prangerte sie die Zustände harsch an – überwältigende Reaktionen bekommt sie aber leider nur im Internet…

Besonders die Privatisierungswelle und die Einführung der Fallpauschale 2004 hätten die Zustände enorm verschärft, so Jana Langer. Patienten seien reinen zu „Kostenfaktoren“ verkommen und Kliniken zu reinen Wirtschaftsbetrieben, kritisiert die Krankenschwester, die nach mehr als 20 Jahren im Dienst die stetig wachsenden Missstände in ihrem Brief auf den Punkt bringt und in Tausenden Facebook-Kommentaren darin bestätigt wird.

Sie schrieb aus aktuellem Anlass……

Sehr geehrte Frau Merkel,

seit über 20 Jahren bin ich Krankenschwester an der Universitätskilinik in XXX. Absolvierte auch dort meine Ausbildung. Hoch motiviert war ich für diesen Beruf, machte Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen, gab immer mein Bestes. Der Mensch stand stets im Mittelpunkt meines Handelns, die Genesung und Linderung von Schmerzen, Hilfe zur Selbsthilfe war immer mein Berufsmotto. Wahrung der Menschenwürde, trotz oftmals widriger Umstände, war für mich das oberste Gebot.

Die letzten Jahre war das ein Ding der Unmöglichkeit. Patienten sind zu Wirtschaftsfaktoren geworden, sind Fallzahlen und Kostenfaktoren. Menschen sind sie keine mehr, und sie als solche zu behandeln unmöglich. Eine menschenwürdige Arbeit zu verrichten nicht mehr möglich.
Dokumentationen die zur Abrechnung dienen, behindern meine Arbeit und fressen Zeit, die ich früher FÜR die Patienten hatte.

Sie erwähnten vor dem Wahlkampf „Pflegekräfte haben einen härteren Job als ich“, als „Stille Helden“ haben Sie uns bezeichnet.

Still sind wir bisher gewesen, da gebe ich Ihnen Recht, ob wir einen härteren Job haben als Sie, vermag ich nicht zu beurteilen. Was ich jedoch beurteilen kann: Das Gesundheitssystem in seiner bestehenden Form behindert meine Arbeit.

Arbeitszeitgesetze werden aufgrund von fehlender Finanzierung der Personalstellen nicht eingehalten. Patienten werden zu früh entlassen, da ihre Finanzierung nicht gewährleistet ist.

Gefährliche Pflege (bedingt durch Personalmangel) bringt jeden an seine noch leistbare Grenze. Der Nachwuchs bleibt aus, und diejenigen die sich zu dieser Ausbildung entschlossen haben, scheiden viel zu früh aus dem Berufsleben aus, werden während ihrer Ausbildung nur unzureichend betreut und viel zu oft allein gelassen.

Wohl dem, der keine Leistungen im Krankenhaus in Anspruch nehmen muss. Denn jeder Aufenthalt könnte im Moment zur tödlichen Falle werden.

Innerlich gekündigtes Personal, schlecht bezahlte Hilfskräfte mit entsprechender Motivation, überarbeitete und übermüdete Pflegekräfte, die nur noch versuchen, den größten Schaden abzuwenden, sind alltägliche Bilder in jeder Klinik von Deutschland.

Glauben Sie nicht, dass hier endlich eine umfassende Reform nötig ist?

Hier muss eine umfassende Reform auf die Tagesordnung, keine Schnellschüsse und kleinen Nachbesserungen.

Über eine Million Pflegekräfte arbeiten und leiden in Ihrem Land, das Sie regieren. Sie tragen die Verantwortung für jene, die Ihnen das Vertrauen ausgesprochen haben.

Ist Ihnen klar, dass Sie dieses Vertrauen mit Füßen treten?

Wir können Sie nicht wirtschaftlich unterstützen, wir tragen auch nichts zum Bruttoinlandsprodukt bei. ABER: wir versorgen die Schwächsten in unserer Gesellschaft, geben jenen Hilfe und Unterstützung, die krank oder auch alt geworden sind. Das ist IHR Volk, um die wir uns MENSCHENWÜRDIG und PROFESSIONELL kümmern wollen. Also sorgen sie dafür, dass wir auch die nötigen Mittel an die Hand bekommen, um uns nicht täglich strafbar zu machen und mit einem schlechten Gewissen nach Hause gehen.

Mit freundlichen Grüßen

J.L.

von

Günter Schwarz – 23.01.2017