Grünen-Abgeordneter Özcan Mutlu: „Einwanderer leisten immensen Beitrag für unser Land“
Der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu äußert sich über die Verhandlungen für einen Frieden in Syrien in der Hauptstadt Kasachstans Astana, die dort von Russland dem, Iran; der Türkei und den verschiedenen Bürgerkriegsgruppen einschließlich Assad Regierung aufgenommen wurden. Der Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen schildert seine Sicht auf die aktuelle Situation in der Türkei und spricht über seine persönlichen Erfahrungen mit Integration in Deutschland.
Im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsabkommen mit der Türkei warnte Mutlu davor, sich von der Türkei erpressen zu lassen. Der Parlamentarier verglich die Situation mit dem Konflikt in der Ukraine. Auch dort hätte sich die EU im Fall des Minsk-Abkommens „nicht von Putin erpressen“ lassen. Viele Syrer hätten zudem auch gar kein Interesse mehr daran, über die türkische Grenze in die EU zu fliehen. Grund, dafür seien die Friedensgespräche in Astana.
Dazu sagt Mutlu: „Wenn du jahrzehntelang immer als der böse Türke abgestempelt wirst, oder ausgegrenzt oder diskriminiert wirst, hast du irgendwann auch keinen Bock mehr. Wir hatten im Dezember im Bundestag eine Diskussion zur doppelten Staatsbürgerschaft. Die Absicht der CDU, das Optionsmodell abzuschaffen, richtet sich ja nur gegen eine Gruppe, das sind überwiegend die Türken.
Wir hatten eine Debatte im Parlament dazu. Da steht ein CDU-Abgeordneter im Deutschen Bundestag am Rednerpult und sagt in meine Richtung, weil ich vor ihm geredet habe: ,Herr Mutlu, Sie und Ihr Präsident Erdoğan… blablabla‘.
Doch Integration ist keine Einbahnstraße, denn beide Seiten sind diesbezüglich gefordert. Insofern muss noch vieles geschehen, um Integration gelingen zu lassen. Die Ironie daran ist ja, dass diese Aussage ,Integration ist keine Einbahnstraße‘ erstmals ein CDU-Minister benutzt hat. Der meinte es in Richtung der Migranten. Jetzt muss man es umgekehrt denken, denn wir sind die Mehrheitsgesellschaft, und wir sind die aufnehmende Gesellschaft. Wir müssen unsere Arme und Herzen öffnen und diesen Menschen, die gekommen sind, eine Perspektive bieten. Wir dürfen die Fehler bei der Gastarbeitergeneration jetzt bei den Geflüchteten, die hundertausendfach zu uns gekommen sind, nicht wiederholen.
Dazu müssen wir einfach erst einmal, und das sag ich vor allem in Richtung der CDU/CSU, akzeptieren, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Die Einwanderung tut unserem Land gut. Ich will es mal beziffern nur anhand der Türken. Der Beitrag der Türken in Deutschland zum Bruttosozialprodukt ist 100 Milliarden Euro per anno. Das sind die ganzen Gewerbetreibenden, das ist der kleine Dönerhändler genauso wie Öger-Tours. 80.000 türkische Unternehmen haben über 500.000 Jobs in Deutschland geschaffen. Ich will es mal ausweiten. Im Bereich Kultur, im Bereich des Sports. Wenn Özil, Podolski oder Boateng krank sind, dann schießen ,unsere Jungs‘ keine Tore.
Oder Shermin Langhoff. Sie hat das Pleite-Theater Gorki übernommen und jetzt ist es jeden Abend ausverkauft. Shermin ist eine Deutsch-Türkin. Das heißt, der Beitrag – und ich habe es nur auf die Türken bezogen, aber man kann es auf alle Gruppen beziehen – der Beitrag, den Migranten in unserem Land leisten, ist wirtschaftlich, kulturell, gesellschaftlich immens. Wir müssen das endlich mal akzeptieren. Wir müssen akzeptieren, dass es unserem Land gutgetan hat. Und wenn wir das akzeptiert haben, müssen wir über Probleme reden. Es gibt Probleme. Ich will das gar nicht verniedlichen. Integrationsprobleme gibt es zuhauf.
Junge Menschen, die sich abschotten, oder ,Foreign Fighters‘ werden?. Wie kann es sein, dass sich ein junger Mensch in ein Flugzeug setzt und nach Syrien fliegt? Das ist nicht nur die Schuld der Eltern, der Gemeinde, der Moschee, wo er war. Das ist auch unsere Schuld. Wir haben es nicht geschafft, diesen Menschen unsere universellen Werte näherzubringen. Wir haben sie nicht gewonnen für unsere Gesellschaft. Wir haben sie ausgegrenzt, und da finde ich, ist auch die Bildungspolitik von ganz großer und geradezu entscheidender Bedeutung.“
von
Günter Schwarz – 04.02.2017