(Kuala Lumpur) – Eine Überwachungskamera soll den mutmaßlichen Giftanschlag auf den Halbbruder des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un in Malaysia gefilmt haben. Die vom japanischen Sender Fuji TV veröffentlichten Aufnahmen zeigen, wie sich eine Frau auf dem Flughafen von Kuala Lumpur von hinten dem Opfer nähert, ihm dann anscheinend ein Stück Stoff vor den Mund hält und wieder in der Menge untertaucht.


Kim-Jong-Nam
Bei dem Opfer soll es sich um Kims Halbbruder Kim Jong Nam handeln. Er brach kurz darauf zusammen und starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Es wird vermutet, dass er einem schnell wirkenden Gift erlag. Die Echtheit der Videoaufnahmen wurde von offizieller Seite bisher nicht bestätigt. Nordkorea behauptet weiterhin, der Tote sei nicht Kim Jong Nam, und kündigte schon vorab an, man werde die Ergebnisse der Obduktion des Leichnams nicht anerkennen.

Bilder aus Erste-Hilfe-Station

Die Frau, die sich Kim auf dem Video von hinten nähert, dürfte jene vietnamesische Staatsbürgerin sein, die nach dem Tod des 45-Jährigen in Malaysia verhaftet wurde. Auch eine andere Frau, die sich Kim auf dem Video aus der entgegengesetzten Richtung nähert und nach dem Vorfall ebenso davongeht, wurde laut Behördenangaben verhaftet. Die Aufnahmen zeigen weiter, wie Kim – ohne sichtbare Begleiter – beim Flughafenpersonal Hilfe sucht. Den Gesten nach zu schließen schildert er ihnen den Vorfall.

Seitens des Flughafens hatte es bereits letzte Woche geheißen, der Mann habe beim Flughafenpersonal nach der Attacke über Schwindel geklagt. Auf dem Video ist zu sehen, wie er mit den Flughafenmitarbeitern der Erste-Hilfe-Station zustrebt. Danach dürfte sich die Gruppe in einem toten Winkel außerhalb der Kameras befunden haben. Wie jedoch an der Zeitsignatur der Aufnahmen zu erkennen ist, wurden bereits kurz darauf Wiederbelebungsmaßnahmen an dem Bewusstlosen vorgenommen.

Weitere vier Verdächtige flüchtig

Malaysia hat in Zusammenhang mit dem Vorfall insgesamt vier Personen aus Vietnam, Indonesien, Malaysia und Nordkorea verhaftet. Wie der malaysische Polizeichef Noor Rashid Ibrahim sagte, würden jedoch vier Nordkoreaner der Beteiligung an der Tat dringend verdächtigt. Sie sollen Malaysia noch am Tag der Attacke verlassen haben. „Ich werde nicht preisgeben, wo sie jetzt sind“, sagte der Polizeichef auf einer Pressekonferenz.


Die Verhaftete will selbst ein Opfer sein
Die Rolle der auf dem Video zu sehenden Frauen ist unklar. Eine arbeitet offenbar in einem Lokal, die andere ist Masseurin. In Verhören sollen sie angegeben haben, dass sie von Unbekannten mit der Bitte angesprochen worden seien, dass sie bei einem Streich für eine „Versteckte Kamera“-Show mitspielen sollten. Weitere Ermittlungsergebnisse erwarten sich die malaysischen Behörden von den Autopsieergebnissen, die am Mittwoch vorliegen könnten.

Familie offenbar untergetaucht

Kim Jong Nam hielt sich lange im Ausland auf und äußerte sich kritisch über die Familiendynastie in seiner Heimat. Südkoreanischen Regierungskreisen zufolge erteilte Nordkoreas Machthaber bereits vor Jahren den Auftrag zur Ermordung seines Halbbruders. Laut den malaysischen Behörden ist die Familie des Getöteten offenbar aus Angst untergetaucht: Bisher sei es nicht gelungen, jemanden zu kontaktieren, der den Leichnam identifizieren könne.

von

Günter Schwarz – 20.02.2017