(Istanbul) – Nach dem Telefonat von Kanzlerin Merkel und dem türkischen Ministerpräsident Yildirim am Samstag nach den Vorkommnissen im baden-württembergischen Gaggenau sah es nach einer Entspannung im deutsch-türkischen Streit aus, doch dem macht Erdoğan einen Strich durch die Rechnung – und haut noch einen „Ordentlichen“ drauf!

„Deutschland würde Nazi-Methoden verwenden, um türkische Wahlkampfautritte zu verhindern“, beschwerte sich ausgerechnet der Präsident der Türkei in Istanbul, der auf dem Weg ist, die Türkei in einen autokratischen Staat umzuwandeln, dem jegliche Demokratie und Gewaltenteilung fremd sind und er als „Sultan Recep Tayyip Erdoğan“ die Alleinherrschaft anstrebt, dem die Bevölkerung eines ganzen Landes auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Die Türkei ist heute von außen gesehen ja schon „so frei“, dass man kaum wagt, dort einen „Furz zu lassen“, ohne Angst vor einer Verhaftung zu haben.

Dennoch hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nach seinem Prinzip „Angriff ist die beste Verteidigung“ Deutschland im Umgang mit türkischen Wahlkampfauftritten Nazi-Methoden vorgeworfen. Offenbar aus Ärger über mehrere abgesagte Reden türkischer Regierungsmitglieder in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg attackierte Erdoğan die deutschen Behörden während einer Rede gestern am Samstag in Istanbul. – Übrigens, genehmigt „Herr“ Erdoğan umgekehrt öffentliche Auftritte deutscher Politiker auf den Boden der Türkei?

„Eure Praktiken unterscheiden sich nicht von den früheren Nazi-Praktiken“, schmetterte der türkische Präsident lauthals seinen Zuhörern entgegen. Er hätte gedacht, diese Zeit sei in Deutschland längst vorbei – „wir haben uns geirrt, fügte Erdoğan hinzu, „Deutschland habe nichts mit Demokratie zu tun!“

Wahlkampf in der Türkei in vollem Gange

Der Präsident äußerte sich auf einer Großveranstaltung anlässlich des Weltfrauentags vor mehreren tausend Anhängerinnen, auf der er für ein „Ja“ beim Verfassungsreferendum im April warb.

In den vergangenen Tagen hatten Kommunalbehörden mehrere Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Deutschland wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. Diese Absagen hatte Erdoğan bereits am Freitagabend in einer Rede zu schweren Vorwürfen an Deutschland bewogen.

„Unterstützung von Terrorismus“

Die türkischen Minister dürften dort nicht sprechen, während Vertreter verbotener Kurdenorganisationen öffentlich das Wort ergreifen dürften. Die deutschen Behörden müssten deshalb „wegen Unterstützung und Beherbergung von Terrorismus vor Gericht gestellt werden“, hatte er gesagt.

Die Türken entscheiden am 16. April in einem Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems, welches die Machtbefugnisse Erdoğans erheblich ausweiten und die des Parlaments beschneiden würde. Auch 1,4 Millionen in Deutschland lebende Türken sind dabei abstimmungsberechtigt.


Kann man Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker verbieten?
von

Günter Schwarz – 05.03.2017