(Odense) – Acht Jahre lang hatte die türkischstämmige Özlem Çekiç, die erst kürzlich unter „Beschuss“ des türkischen Präsidenten Erdoğan als „Volksverräterin“ geriet, die Socialistisk Folkeparti (SF / Sozialistische Volkspartei) im Folketing vertreten – doch jetzt war der Rechtsruck der Partei zu viel für sie und sie zog für sich die Konsequenzen: sie hat die Partei verlassen. In der Parteiführung herrscht unterdessen Erleichterung darüber, den „Quälgeist“ los zu sein und eine „Störenfriedin“ gegangen ist, berichten einige Medien.

Die Sozialistische Volkspartei (SF) hält dieser Tage ihren Parteitag in Odense ab – erstmals seit Jahren ohne Özlem Çekiç in zentraler Rolle. Die sozialpolitische Expertin der Partei, die sich nach der Wahl 2015 aus der aktiven Parteipolitik und aus dem Folketing zurückgezogen hatte, um sich ganz ihrem Projekt „Brobyggerne“ (Brückenbauer) zu widmen, hat die Partei jetzt aus Protest verlassen.

Çekiç galt stets als Stimme der Parteibasis, denn sie war es vornehmlich, die den Kollegen in der Parteiführung auf die Füße trat, wenn es „unten im Parteivolk“ rumorte – und dieses tat sie gerne auch öffentlich. Dieser Druck der Mitglieder und Sympathisanten aus der eigenen Partei wird nun neue Wege finden müssen, nach „oben“ durchzudringen.

Özlem Çekiç verließ die Partei am Donnerstag aus Protest gegen die „Rechtsdrehung“ der Partei besonders in Ausländerfragen, die die Parteiführung ins Fahrwasser der rechtspopulistischen Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) gespült hat und die nichts mehr mit der von früher her stets hoch gehaltenen Humanität gemein hat. Auch zwei Tage nach ihrem Rückzug aus der Partei klang der Knall der SF-Türen noch laut in den Ohren der Parteitagsdelegierten. Auf dem Parteitag in Odense ist Çekiç das Gesprächsthema Nummer eins.

Die Parteivorsitzende Pia Olsen Dyhr sah sich nach dem Bekanntwerden von Çekiçs Parteiaustritt dazu gezwungen, Fehler einzuräumen. Die Parteiführung habe nicht gut genug vorgearbeitet, räumte sie ein, und man sei sich nicht im Klaren darüber gewesen, dass die sogenannte „Notbremse“ gegen Asylbewerber auch und besonders Kinder betreffen würde. Aus diesem Grund habe man die Unterstützung für die Maßnahmen der konservativen Minderheitsregierung in seiner jetzigen Form auch zurückgezogen. Unbegleitete Kinder, die nach Dänemark kommen, sollten nicht betroffen sein, heißt es jetzt bei der Socialistisk Folkeparti, wenngleich es jetzt auch nichts mehr nützt und niemanden hilft – und den betroffenen Kindern schon gar nichts!

Özlem Çekiç ist aktuell eine der bekanntesten und meist eingeladenen Persönlichkeiten in der öffentlichen politischen Debatte in Dänemark, und sie kann über sen „Kurswechsel“ der Parteichefin nur den Kopf schütteln. Die Parteiführung habe sich lediglich dem Druck der Kritik aus der eigenen Partei gebeugt, sei aber keineswegs einsichtig, denn die Partei habe „ihren moralischen Kompass“ verloren und eigene Grundsätze verraten.

Parteichefin Pia Olsen Dyhr sagte dazu, es sei zweifelsohne so, dass „ Özlem Çekiç und ich ein Stück weit auseinander stehen. Unter anderem bei der Frage nach sozialer Kontrolle und der Integration in Dänemark“.

von                                                       

Günter Schwarz – 26.03.2017