(Berlin) – Die Bundesregierung plant offenbar noch keinen sofortigen Abzug der Bundeswehrsoldaten von dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik. Im Streit über Besuche von Bundestagsabgeordneten in Incirlik sollten noch zwei Wochen lang Gespräche mit der türkischen Regierung geführt werden, berichtete „Der Spiegel“ am Samstag. Erst danach soll ein Votum über den Abzug fallen und eventuell der Abzug der deutschen Tornados aus der Türkei angeordnet werden.

Obwohl erstmals seit fast acht Monaten Bundestagsabgeordnete wieder deutsche Soldaten in der Türkei den Stützpunkt Konya besuchen dürfen, auf dem „Awacs“-Flugzeuge mit internationalen Besatzungen, zu denen auch deutsche Soldaten gehören, im Einsatz sind, gibt es für den Luftwaffenstützpunkt Incirlik weiterhin keine Besuchserlaubnis.

Wie der „Spiegel“ berichtete, wurden Bundestagsabgeordnete bei einem kurzfristig anberaumtem Treffen gestern Abend von ranghohen Beamten des Auswärtigen Amts und des Verteidigungsministerium über die Pläne informiert.

Letztes Gespräch mit Gabriel

Nach Informationen des „Spiegel“ will die deutsche Regierung erneut mit der Regierung in Ankara reden und erst dann über den Abzug entscheiden. Die Gespräche sollen demnach offenbar von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) geführt werden. Intern machten sich jedoch weder die beiden Ministerien noch das Kanzleramt Hoffnung, dass mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan eine Lösung gefunden werden könne, hieß es in dem Bericht.

Bei der Opposition erntete die Regierung für den neuen Anlauf harsche Kritik. Die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger sagte dem „Spiegel“, die Regierung mache sich „nach all den Provokationen“ der Türkei nur noch „lächerlich“.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen, erklärte: „Unabhängig vom ungelösten Streit über Incirlik ist es gut, dass sich die türkische Regierung bei Konya bewegt. Es kann schließlich nicht in unserem Interesse liegen, das Land aus der NATO zu drängen. Die Besuchsrechte des Bundestag müssen jedoch in jedem Fall gewährleistet werden. Sollte die türkische Seite hier erneut taktieren, dann müsste die deutsche Beteiligung ebenfalls beendet werden.“

Besuch verweigert

Kürzlich hatte Ankara einer Delegation des Bundestags-Verteidigungsausschusses einen Besuch in Incirlik verweigert. Das Besuchsverbot ließ die Debatte über einen Abzug der deutschen Soldaten aus der Türkei wieder aufflammen. Auch eine Begegnung der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Erdoğan am Rande des NATO-Gipfels in Brüssel am Donnerstag brachte keine Klarheit.

von

Günter Schwarz – 27.05.2017