Genau heute vor 50 Jahren – am 2. Juni 1967 – wurde der Student Benno Ohnesorg in Berlin von einem Polizisten auf offener Straße bei einer Studentendemonstration erschossen. Dieses Ereignis sollte ganz Deutschland verändern.

Einerseits ging es damals bei den Studentenprotesten um den Besuch des Schahs von Persien, der umstritten war, aber auch um Figuren wie den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, der erwiesenermaßen ein Nazi war.

Das Bild in den Medien vom Tod Benno Ohnesorgs, wie er auf dem Boden liegt, blutend, mit der jungen Frau, die sich um ihn kümmert, das war wie der Startschuss für Proteste und für die antiparlamentarische Opposition, aus der heraus sich später die Partei „Die Grünen“ aber auch die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) entwickelten.


„Eine Ikone, die Empörung auslöste“: Das Foto des sterbenden Benno Ohnesorg.
Ein wichtiger Aspekt war, dass die Proteste international waren. Schon vor dem Mord an Benno Ohnesorg waren besonders Studenten in vielen Ländern gegen den Vietnamkrieg auf die Straße gegangen. An jenem 2. Juni 1967 stand die Jugend für den Kampf gegen die Unterdrückung der Armen durch die Reichen – Benno Ohnesorg war der symbolische Student, der sich dagegen wehrte, aber auch für studentische Reformen an den verkrusteten Strukturen der Hochschulen eintrat.


Das Foto von dem damals 9-jährigen nackten Mädchen aus dem Dorf Trang Bang, das nach einem amerikanischen Luftangriff aus einer Napalm-Wolke flieht, gehört zu den Symbolen des Vietnamkrieges und wurde zur Ikone gegen Krieg allgemein.
Bilder haben einen direkten Zugang zu den Emotionen, die sehr viel direkter als abstrakte Informationen sind. Diese beiden Bilder – das aus Vietnam und das aus Berlin – wurden zu Ikonen, die Empörung ausgelöst haben. Dieses Moment der Empörung ist wichtig, dass aus den politischen Einsichten eine Kraft erwächst, die in die Praxis umgesetzt werden kann. Das ist der große Unterschied zu heute. Wir wissen zwar alle, wie ungerecht die eigene Gesellschaft und die Welt ohnehin ist, und wir kritisieren auch viel, aber letztlich fehlen der Anstoß und die Initiative, etwas dagegen zu tun.

Der Polizist, Karl-Heinz Kurras, der die Todesschüsse abgegeben hatte, wurde im Prozess freigesprochen… Es wurde dann „putative Notwehr“ genannt, und dieser Freispruch hat in der Folge dann noch für weit mehr Empörung gesorgt, weil er aufgezeigt hat, wie sehr der Westdeutsche Staat noch faschistisch geprägt und von alten Nazis durchsetzt war.

Die Studenten waren mit ihrer Vätergeneration konfrontiert, die ja auch die Tätergeneration aus der Nazizeit war. Die Väter redeten immer noch davon, dass das russische Wetter und der harte Winter dort oder der Verrat durch die Widerstandskämpfer um Graf Stauffenberg die deutsche Niederlage verursacht hatten usw. Für die Väter war die Kapitulation 1945 ein Einschnitt in ihr politisches Verständnis. Sie wurden von außen zur Demokraten erklärt, aber die Mentalität war immer noch dieselbe wie vor dem Kriegsende. Dieser Mentalität begegnete man auch 1967 noch in Universitäten, in Schulen und Ämtern. Und es war logisch, denn zu großen Teilen waren es immer noch dieselben Menschen.

Einen Moment dozierten die Väter als Professoren von der „Reinen Liebe zum Führer“ und dann im selben Atemzug plötzlich vom „Segen der Demokratie“. Gegen derartige Autoritäten haben sich die Studenten 1967 erfolgreich gewehrt, denn in jenem Jahr gab es einen wichtigen Einschnitt in der Gesellschaft und einen gewaltigen diesen Schritt nach vorn zur Demokratie. Es wurde von den jungen Leuten damals alles hinterfragt, und niemand ließ sich weiterhin mit Phrasen irgendwelcher „Autoritäten“ abspeisen.

Manchmal wünscht man sich auch heute ein erneutes 1967, wenn man das schaffen könnte. Es liegt etwas in der Luft, und das Gefühl ist bei vielen Menschen da, dass sich etwas ändern muss. Das hört und sieht man nicht nur bei den Kindern und bei Freunden, sondern auch an Bewegungen wie die der Pegida oder die Gründung rückwärts gerichteter Parteien wie die AfD.

Mit Basisdemokratie kann man etwas erreichen, dass nicht mehr nur über uns entschieden wird, sondern dass das Volk mitentscheiden kann. Das hat 1967 gezeigt und darüber hinaus bewiesen. Allerding bringt Basisdemokratie gie Gesellschaft  nur weiter, wenn sie noch vorn auf mehr Mitbestimmung und auf mehr Einfluss in politische Entscheidungen gerichtet ist und nicht, wie die „rechten Rattenfänger“ nach rückwärts gewandt sind und genau das wieder herstellen möchten, wogegen die „67er“ und „68er“ wie Benno Ohnesorg sich aufgelehnt haben.

von

Günter Schwarz – 02.06.2017