Da nach Dänemark derzeit nur wenige Asylbewerber hinzukommen, wäre es Zeit und Gelegenheit, in der Politik und in der Gesellschaft, die Situation zu nutzen, eine breit angelegte Diskussion über zwei Themen anzuregen, die da wären: warum kommen jetzt so wenige Asylbewerber und was ist zu tun, wenn die die Zahlen an Asylsuchenden wieder ansteigen?

Der dänische Finanzminister Claus Hjort Frederiksen geht davon aus, dass die Bevölkerung im Land bis 2020 um etwa 100.000 Einwohnern ansteigen wird, wie er dem Finanzausschuss wissen ließ. Dieser Bevölkerungsanstieg resultiert vornehmlich aus anerkannten Asylbewerbern. Der Finanzminister prognostiziert weiter einen Gesamtanteil von 173.000 Personen Bevölkerung aus nicht-westlichen Kulturkreisen für das Jahr 2020.

Zweifellos wird dieser Anstieg von Menschen fremder Kulturen eine erhebliche Veränderung auch in der dänischen Gesellschaft zur Folge haben, die es zu meistern gilt. Dramatisch kann es werden, sollte der Zustrom von Asylanten wieder ähnlich ansteigen, wie es in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 der Fall war.

Folglich ist es ein Gebot der Stunde herauszufinden, was Dänemark tun muss und kann, um dieser Herausforderung zu begegnen. Auffallend ist, dass die derzeitige Debatte darum ominös schwach ist und sich nahezu ausschließlich auf Expertenebene abspielt.

Darüber hinaus gibt es die üblichen Debatten über das, was nicht zu tun ist. Wobei Sachverständige dann meist davor warnen, dies oder das wäre eine Verletzung der Schengen- und Dublin-Verordnung.
Es geschieht aufgrund der Meinung des dänischen Volksgedankens, Asylbewerber schon an der Grenze zu Deutschland mit der Begründung abzuweisen, dass sie aus einem sicheren Land kommen.

Diese Experten leben jedoch in ihrer ganz eigenen Welt, die nur wenig mit der Realität zu tun hat. Dennoch sollten sie in keiner Weise dafür verantwortlich gemacht werden, dass sie darauf hinweisen, was die bestehenden Regeln und Abkommen besagen. Festzustellen ist nur, es nicht genügt nicht, die politische Realität zu verstehen und umzusetzen versuchen.

Fakt und somit politische Realität ist gleichfalls, sowohl das Schengen-Abkommen als auch die Dublin-Verträge sind längst in sich zusammengebrochen, was auf die Explosion des ungeheuren Anstiegs von Asylsuchenden auf Europa zurückzuführen ist, die sich die beiden Ankunftsländer Griechenland und Italien unmöglich alle zu registrieren, aufzunehmen und zu versorgen imstande sahen. Juristisch betrachtet brachen beide Länder damit das Dublin-Abkommen, aber völlig unrealistisch wäre es vom Rest Europas gewesen anzunehmen, die beiden Länder hätten das Problem alleine lösen können, zumal Griechenland noch unter ganz enormen finanziellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten leidet.

Was hätten beiden Länder anderes tun können und sollen, als einen Großteil der Flüchtlinge „durchzuwinken“ und in den Norden über Österreich nach Deutschland und Skandinavien ziehen zu lassen, wohin die meisten Flüchtlinge auch den Wunsch hatten zu gehen?

Das Durchgangsland Österreich nahm von die durchziehenden Asylsuchenden noch so viele auf, wie es dem Land möglich war und so viele der einheimischen Bevölkerung aufzunehmen vermittelbar war, bis es an seine Grenzen stieß und mit den Balkanstaaten übereinkam, die Grenzen zu schließen und die Balkanroute abzuriegeln.

Auch diese Entscheidung der österreichischen Regierung stand keineswegs im Einklang mit den Verträgen von Schengen und Dublin! Trotz dieses Bruches der beiden Verträge, erfolgte jedoch auch seitens der dänischen Regierung kein Aufschrei, kein Feuer der Entrüstung – ganz im Gegenteil war man nicht unglücklich darüber, denn die Flüchtlingszahlen gingen von einem Tag auf den anderen drastisch zurück. Insofern war die Regierung realistisch genug zu erkennen, dass die Maßnahme Österreichs zusammen mit den Balkanstaaten dem Land weitere Probleme ersparte und der Bruch dieser Verträge nur zu eigene Verbesserung der Lage führte.

Somit wird unter anderen auch Dänemark genau von den Staaten beobachtet, die sowohl das Schengen- als auch das Dublin-Abkommen brechen. Viele Millionen Menschen sind vor den Grenzen Europas auf dem Sprung, in eines der Länder Europas einreisen zu können. Sollte die Balkanroute erneut geöffnet werden, oder finden Schleuser neue Wege, Flüchtlinge nach Europa zu bringen, so würde es auch in Dänemark zu neuen Problemen führen. Und was die Schleuser angeht, so steht zu befürchten, dass sie Wege und Mittel finden werden, früher oder später auch die Flüchtlingszahlen in Dänemark wieder ansteigen zu lassen.

Als sehr gefährlich könnte sich erweisen, sich bequem zurückzulehnen und zu denken, die Balkanstaaten werden das Problem schon lösen, während man sich selbst den Heiligenschein von Schengen oder Dublin aufsetzt und sich in Ruhe gelassen wähnt. Die Wahrscheinlichkeit erneut steigender Flüchtlingszahlen ist keineswegs unbegründet, und es darf auf keinen Fall passieren, wie es im September vergangenen Jahres geschah, indem man nahezu von Asylsuchenden überrannt wurde und alles außer Kontrolle zu laufen schien.

Wir müssen akzeptieren, dass es viele Millionen von Menschen bereit und willens sind, ihr Glück in Europa zu suchen. Die meisten von ihnen sind keine Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, sondern es sind Menschen aus Dürregegenden und Armutsgebieten, die für sich und ihre Familien nur ein besseres Leben mit etwas mehr Wohlstand suchen. Sie kommen überwiegend aus afrikanischen Ländern mit einem ungeheuren Bevölkerungswachstum.

Niemand kann der dänischen Gesellschaft garantieren, dass Menschen nicht weiterhin versuchen werden, Asyl in Dänemark zu bekommen. Sobald sie kommen, ihre Asylanträge stellen, die dann bearbeitet werden und oft auch zu Ablehnungen führen, heißt es noch lange nicht, diese abgelehnten Asylbewerber weiter auf die Reise schicken oder gar in ihre Heimat zurückschicken zu können. In der Regel können sie bleiben, da es keine Alternative gibt.

Grundsätzlich muss sich die Mentalität der Dänen zu Fremden ändern und gewisse Gesetze im Asylrecht müssten „nachjustiert“ werden, um sich der Realität anzupassen, wobei die Prämisse sein sollte, auch Dänemark muss darüber nachdenken, wie viele Asylbewerber es aufzunehmen imstande ist.

von

Günter Schwarz – 27.05.2016