Überheblichkeit, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit sind eine Erklärung für das britische „Leave“! Undemokratische Strukturen in Brüssel, die häufige Ferne von der Lebenswirklichkeit der Menschen, die Angst vor einem bürokratischen Monster, oder einfach die Abscheu vor dem, was man als Machtelite empfindet. Es gab schlechte, aber es gab auch durchaus berechtigte Argumente für die Engländer und Waliser, gegen die EU-Mitgliedschaft zu stimmen.

Die dumpfen Argumente haben am Ende wohl den Ausschlag gegeben. Aber jetzt darüber zu lamentieren ist müßig. Denn egal, warum sie es getan haben: Die meisten Briten wissen gar nicht, was sie getan haben, denn nicht umsonst „googlen“ die Briten so viel nach dem Begriff „Brexit“, um sich zu informieren, welche Konsequenzen ihre Wahlentscheidung voraussichtlich oder wahrscheinlich für sie haben wird.. Der Brexit ist schlichtweg eine Katastrophe!

Die englische Babyboomer-Generation, die nie einen Krieg erlebt hat, der es nie wirklich schlecht ging, meint, dass es zu viele Polen und andere Ausländer auf dem britischen Arbeitsmarkt gibt und zu viele Idioten in der EU-Kommission. Und deshalb werfen sie das größte friedens- und wohlstandsschaffende Projekt weg, das din der Geschichte Europas je geschaffen wurde.

Das „Quengelkind“ am Tisch

„Gut so, die haben in der EU eh nur genervt“, hört man als Argument schon fast erleichtert. Stimmt! – Die Briten waren immer das „Quengelkind“ am europäischen Tisch. Aber warum haben die anderen Länder, allen voran die Deutschen, sie über Jahrzehnte oft gewähren lassen? Es geschah, weil wie in fast jeder Familie auch das „Quengelkind“ dazu gehört, soll nicht die ganze Familie zerbrechen.

Was passiert nun? Im besten Fall rücken die übrigen Europäer wegen des heilsamen Schocks enger zusammen und ertragen, dass das Gewicht Deutschlands ohne die Briten nun noch weiter zunimmt. Die Bundesregierung geht damit verantwortungsvoll um und hält das absehbare innenpolitische Gemaule wegen der nötigen Kompromisse aus. Dann kehren die Briten, nach einem Absturz ihrer Wirtschaft, in ein bis zwei Jahrzehnten reumütig zurück. Wir sind großzügig und nehmen sie wieder auf, ohne nachzutreten.

Im schlechtesten Fall trägt die Brexit-Euphorie die Forderungen von Rechtspopulisten wie Kristian Thulesen Dahl, Geert Wilders oder Marine Le Pen nach eigenen Referenden. Mit einem weiteren Austritt wäre die EU ohnehin am Ende.

Mehr Deutschenfeindlichkeit

Wir sollten mit mehr Deutschenfeindlichkeit aus Angst vor dem übermächtigen Nachbarn mit seinen 80 Millionen Menschen und seiner unbändigen Wirtschaftskraft  rechnen, die die hiesigen Rechtspopulisten geschickt ausnutzen könnten. Unser aller Wohlstand, unsere Freiheit in Europa wäre akut gefährdet, bekämen wir eine ernstzunehmende EU-feindliche Bewegung in Deutschland. Der Frieden auch? Man mag sich das gar nicht vorstellen.

Gegenmaßnahmen: Zunächst einmal muss die Stimmung so gut wie möglich aufrecht erhalten werden. Also keine unnötige Schärfe gegenüber den Briten in den Austrittverhandlungen. Wir Deutschen müssen innenpolitisch die Nerven behalten, wenn es um als schmerzhaft empfundene EU-Kompromisse geht. Wir dürfen uns auf keinen Fall so groß machen, wie wir sind. Die EU-Kommission muss radikal entmachtet werden zugunsten des Parlaments. Dass unfähige, national abgehalfterte Politiker als Kommissare nach Brüssel „abgeschoben“ werden können, ist ja ein eindeutiges Zeichen, dass dort vieles nicht stimmt.

von

Günter Schwarz – 25.06.2016