Aufgrund der aktuellen Ereignisse in Frankteich um den terroristischen Anschlag in Nizza vom 14. Juli und dem offensichtlich gescheiterten Militärputschversuch in der Türkei aus der vergangenen Nacht geht in der „Nachrichtenflut“ ein Ereignis fast unter, dass es keineswegs verdient, vernachlässigt zu werden. Am 14. und 15. Juli kamen deutsche und russische Wirtschaftsvertreter und Politiker in Sr. Petersburg zu ihrem jährlichen Treffen, dem „St. Petersburger Dialog“ zusammen, um die reichlich vorhandenen Reizthemen, die es zwischen Berlin und Moskau gibt, zu relativieren und bei Diskussionen vor allem wieder nach Gemeinsamkeiten zu suchen. EinigeTeilnehmer nannten es ein „Neubeginn auf Sparflamme“.

Seit der russischen Annexion der Krim und der schwelenden Ukraine-Krise gilt das deutsch-russische Verhältnis als angespannt. Mehr als zwei Jahre danach versuchen sich beide Seiten aber wieder in zaghafter Entspannung. So haben Deutsche und Russen mit einer Tagung des Diskussionsforums „Petersburger Dialog“ einen Schritt zur Wiederannäherung in ihrer Vertrauenskrise unternommen, auch wenn entgegen früherer Jahre vor der Krise weder die Bundeskanzlerin Angela Merkel noch der russische Staatspräsident Putin am diesjährigen St.Petersburger Dialog teilnahmen. Den Vorsitz des Dialogs hatten Ronald Pofalla von deutscher und Wiktor Subkow von russischer Seite.

Bei den zweitägigen Gesprächen in zehn Arbeitsgruppen in der russischen Stadt St. Petersburg wurde aber auch deutlich, wie sehr etwa beim Thema Menschenrechte die Meinungen auseinanderklaffen. „Es gibt nach wie vor für russische Nichtregierungsorganisationen keine zufriedenstellende Situation“, hieß es von deutscher Seite. Ein russischer Teilnehmer sprach von einem „Neubeginn auf Sparflamme“.

Jubiläum trotz Krise

Deutschland und Russland hatten den „Petersburger Dialog“ 2001 gegründet. Angesichts des guten persönlichen Verhältnisses zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Präsident Wladimir Putin war das Forum damals verheißungsvoll gestartet und auf höchster politischer Ebene ins Leben gerufen worden. Wegen der russischen Einverleibung der ukrainischen Halbinsel Krim wurde der Dialog 2014 aber ausgesetzt. Auf der Jubiläumsveranstaltung standen Reizthemen wie das russische Vorgehen in der Ukraine oder die geplante NATO-Aufrüstung in Osteuropa nun nicht explizit auf der Tagesordnung. Der deutsche Delegationsleiter Ronald Pofalla hatte mit Blick auf die aktuellen Probleme zwischen Berlin und Moskau gesagt, es gebe keine Alternative zum Gespräch.

„Beide Seiten haben (bei den Reizthemen) ihre harte Haltung deutlich gemacht, aber trotzdem existieren viele Felder möglicher Zusammenarbeit“, sagte Wladislaw Below, Deutschland-Experte der Russischen Akademie der Wissenschaften. Als Beispiel nannte er – vor dem Hintergrund des Anschlags in Nizza – den Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

Mehr als 250 Politiker, Experten und Aktivisten diskutierten unter anderem über die Rolle der Zivilgesellschaft und die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Sie loteten zudem ihre Positionen etwa bei Ökologie, Medien und Religion aus. Das Motto der Tagung lautete „Russland und Deutschland im Angesicht globaler Herausforderungen“. Auf deutscher Seite nahmen unter anderem der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz und der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (beide SPD), teil.

von

Günter Schwarz – 16.06.2016