Entsetzen, Wut und Ohnmacht. Diese Gefühle löst das Attentat von Nizza weltweit aus. Einerseits spiegeln die Medien diese Gefühlslage wieder, andererseits warnen sie aber auch vor kollektivem Hass.

Das schreckliche Attentat in Nizza hat weltweit Entsetzen, Wut, aber auch Unsicherheit ausgelöst. Die Reaktionen spiegeln sich in den zahlreichen Medienberichten wieder. Hier eine Auswahl deutscher Zeitungen:

Süddeutsche Zeitung: Der Staat mobilisiert, rüstet Polizei und Geheimdienste auf. Diese Härte half, seit Januar 2015 mehr als ein Dutzend Attentate zu verhindern. Aber Nizza beweist, dass dies allein nicht genügt. Nötig sind zugleich Reformen, die das Elend in den Banlieues lindern, die neue Zuversicht in die Schulen dieser Ghettos der Republik tragen. So muss der Staat endlich lernen, mehr vom eigenen Volk zu lernen: Oft sind es kleine, kreative Projekte der Zivilgesellschaft, die in den Vorstädten stille Erfolge zeigen. Und die muslimischen Gemeinschaften sind (endlich) aufgewacht: Nach dem Doppelmord an den Polizisten bezeugten in einer Kleinstadt 3000 Gläubige, dass die Terroristen auch ihren Glauben malträtieren.

Nürnberger Nachrichten: Leider ist es nie gelungen, die Menschen aus den Maghrebstaaten vollständig in Frankreich zu integrieren. Jenseits des Rheins lässt sich stattdessen trefflich beobachten, wozu eine rigide Trennung von sozial benachteiligten Schichten vom Rest des Gesellschaft führen kann. Solange in den Vorstädten, den Banlieues, Menschen mit Migrationshintergrund ghettoähnlich abgeschottet leben, so lange besteht die Gefahr einer stetig

Berliner Zeitung: Wenn sich aus dem Verbrechen in Nizza überhaupt eine sinnvolle Botschaft herauslesen lässt, dann ist es ein Appell an die Solidarität. Sie sollte in der Einsicht bestehen, dass der Kampf gegen den Terrorismus nicht mit noch mehr Sicherheitsgesetzen, noch mehr Polizei und noch mehr Überwachungsmaßnahmen gewonnen werden kann – allein in Nizza hängen pro Quadratkilometer 15 Überwachungskameras -, sondern im Gegenteil nur mit dem unbeeindruckten Bekenntnis zum Rechtsstaat und den Freiheiten der Demokratie. Der Kampf gegen den Terror ist verloren, wenn das demokratische Staats- und Gesellschaftsmodell zerstört wird, um seine Vernichtung durch den Terror zu verhindern.

Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung: Der nächste Anschlag wird kommen, diese Prognose macht traurig und wütend zugleich – ist aber leider nicht allzu gewagt. Oft geschrieben, aber immer und immer wieder zu betonen: Machen wir es den gottlosen Mördern nicht leichter durch Ablehnung und Abgrenzung untereinander.

Frankenpost (Hof): Europa, diese wunderbare Vision einer prosperierenden, offenen und lebenswerten Gesellschaft, ist in Gefahr. Wenn stets nur jeder auf sich schaut, verliert Europa die Kraft, vergibt es die Chance, den Terror erfolgreich zu bekämpfen. Gerade der Nationalismus macht es den Attentätern von Paris, Brüssel, Nizza leicht, Ängste zu schüren. Wer sich abschottet und misstrauisch den Nachbarn beäugt, verliert den Blick für die tatsächliche Gefahr.

Fränkischer Tag (Bamberg): Der perfide Anschlag zeigt leider auch die Ohnmacht und Hilflosigkeit, mit denen wir solchen Taten gegenüberstehen. Trotz eines hochgerüsteten und sensiblen Sicherheitsapparates konnten die Behörden die Lkw-Attacke nicht verhindern. Einzeltäter, die sich die IS-Doktrin «Tötet mit allem, was Ihr habt» zu eigen machen, sind nur schwer aufzuspüren. Gegen kranke Geister helfen weder Menschenverstand noch Waffen.

Münchner Merkur: Es ist der Tag der Wut, der Verzweiflung, der Ohnmacht. Und der bitteren Erkenntnis, dass es letztlich kein definitives Mittel gibt, um Terror-Anschläge – und besonders die Aktionen von Einzeltätern – zu verhindern. Die Wut nach dem Anschlag von Nizza ist verständlich. Ein eventuell daraus resultierender kollektiver Hass auf Fremde oder Bürger mit Migrationshintergrund wäre es nicht.

Märkische Allgemeine: Präsident und Premierminister treten erneut standfest und entschlossen auf, um den verunsicherten Menschen zu vermitteln, dass dieser «Krieg», wie sie ihn nennen, gewonnen wird. Doch was Frankreich braucht, ist keine martialische Rhetorik, sondern Geschlossenheit. Die Islamisten zielen auch auf die Ausgrenzung der gemäßigten französischen Muslime ab. Darum ist es an ihnen, sich unmissverständlich zu distanzieren, so wie sie es in der Vergangenheit und auch jetzt getan haben. Und es ist an den westlichen Gesellschaften, sie nicht in einen Topf mit Fanatikern zu werfen.

von

Günter Schwarz – 17.06.2016