Der türkische Geheimdienst MIT soll laut Medienberichten in Deutschland über ein eng gestricktes Netz aus Agenten und Informanten verfügen. Linkspartei und Grüne sehen eine Gefahr für die innere Sicherheit und fordern Aufklärung.

Die Bundesregierung will die Spionageaffäre nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren. „Es gehe um nachrichtendienstliche Angelegenheiten, und da sei die Verfahrensweise klar“, sagt Johannes Dimroth, Sprecher des Bundesinnenministers.

„In Bezug auf mögliche Spionagetätigkeiten des türkischen Staates und seinen Organisationen würden, soweit Erkenntnisse dazu vorliegen, entsprechend die zuständigen Gremien unterrichtet. Im Übrigen habe ich ganz grundsätzlich darauf verwiesen, dass wir zu operativen Einzelsachverhalten hier nicht Stellung nehmen“, so Dimroth.

„Allerdings wird man dies nach den Ferien im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages tun müssen. Und in dem Zusammenhang werde es auch um eine mögliche Zusammenarbeit deutscher Sicherheitsbehörden mit dem türkischen Geheimdienst gehen“, sagt Hans-Christian Ströbele. Er sitzt für die Grünen in dem Gremium, das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig ist.

Opposition ist alarmiert

Ströbeles Parteifreund Konstantin von Notz ist überzeugt, dass die Bundesregierung mehr weiß, als sie bisher zugibt. Es sei ein skandalöser Vorgang, dass man, „obwohl man eben weiß, wie die Probleme liegen, den Schnabel hält und öffentlich nichts sagt, weil man mit der Türkei diesen Flüchtlingsdeal durchziehen will. Da sieht man: Frau Merkel und die Bundesregierung haben sich abhängig gemacht von jemanden, von dem man besser nicht abhängig wäre“, sagt von Notz.


Konstantin von Notz spricht von einem skandalösen Vorgang
Das sieht die Parteichefin der Linkspartei, Katja Kipping, sehr ähnlich: „Die Bundesregierung muss klar Stellung zu der systematischen Ausspionierung von in Deutschland lebenden Menschen nehmen. Wir erwarten einen offiziellen Protest des Auswärtigen Amtes. Wir erwarten eine Einbestellung des türkischen Botschafters. Wir meinen: Die türkischen und kurdischen Oppositionellen die hierzulande leben, müssen vor dem langen Arm des Erdogan-Regimes geschützt werden.“ Hier habe auch die deutsche Bundesregierung eine Verantwortung.

Angeblich soll der türkische Geheimdienst in Deutschland 6000 Informanten haben. Außerdem gäbe es weitere 500 hauptamtliche Agenten. Damit käme ein Geheimdienstmann auf etwa 500 türkischstämmige Bürger.

Alle vertreten die Interessen der Türkei

Für Mehmet Tanriverdi ist dies keine Überraschung. Er ist der stellvertretende Bundesvorsitzende der kurdischen Gemeinde in Deutschland: „Diese Zahl hat uns nicht überrascht. Wenn man schaut, wie die Türken hier organisiert sind: Es gibt Hunderte, Tausende von Reisebüros vom staatlichen Flugunternehmen Turkish Airlines, Tausende Moscheegemeinden, die Schlägertrupps ‚Osmanen‘, diese Hells-Angels-ähnliche Organisation, türkische Banken, die es in jeder deutschen Stadt gibt, und Unternehmerverbände. Alle vertreten die Interessen der Türkei“, sagt Tanriverdi.

Strafrechtlich ist die Problematik klar. Werden in Deutschland lebende Türken unter Druck gesetzt, wäre dies beispielsweise Nötigung. Noch schwerer wiegt, dass nach Paragraf 99 des Strafgesetzbuches jede geheimdienstliche Tätigkeit für eine fremde Macht strafbar ist. So standen im vergangen Jahr auch ein mutmaßlicher MIT-Führungsoffizier und zwei weitere Agenten vor dem Oberlandesgericht in Koblenz. Das Verfahren wurde dann jedoch gegen Zahlung einer Geldstrafe eingestellt.

von

Günter Schwarz – 23.08.2016