Die Deutschen verbringen die großen Ferien am liebsten im Urlaub – sei es in der Sonne, sei es am Strand, sei es in den Bergen irgendwo im In- oder Ausland. Doch vielen Familien einschließlich deren Kinder ist dieses verwehrt. Sie müssen zu Hause bleiben weil ihre Familien zu arm sind und müssen die Ferien auf „Balkonien“ verbringen – und selbst der ist bei vielen weniger begüterten Familien noch nicht einmal vorhanden.

Wie aus einer Umfrage der Europäischen Statistikbehörde Eurostat hervorgeht, verbringen ungefähr 3,4 Millionen Kinder in Deutschland die Ferien oder den Urlaub daheim. Das sind 50 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Diese Zahlen hat jetzt der Deutsche Kinderschutzbund vorgelegt und ist damit an die Öffentlichkeit gegangen. Insgesamt 16,7 Millionen Menschen leben in Deutschland in Haushalten, die zu arm für Urlaubsreisen sind. So hoch war die Zahl seit Beginn der Erhebung 2008 nicht mehr.

Während in Deutschland 23,8 Prozent der Minderjährigen vom finanziell begründeten Urlaubsverzicht betroffen sind, sind es etwa in Österreich 22,3 Prozent, in Dänemark 14,9, in den Niederlanden 16,2. In Spanien sind es dagegen sogar 48,6 Prozent, in Ungarn 61,0 – und EU-weit betrifft es durchschnittlich 39,1 Prozent.

Wie kann man verhindern, dass so viele Kinder nach den Sommerferien in der Schule betreten schweigen müssen, wenn die Klassenkameraden mit stolz geschwellter Brust von ihren Ferienerlebnissen berichten? Der Präsident der Organisation, Heinz Hilgers, forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, das Teilhabepaket für Kinder aus Hartz-IV-Familien um eine sommerliche Einmalzahlung von jeweils 300 Euro aufzustocken.

Kinder sozial schwacher Familien dürften beim Urlaub nicht auf Dauer „abgehängt“ werden, denn Familienurlaub schaffe eine gemeinsame Identität. „Davon zehren viele das ganze Jahr über. Fällt dies weg, ist der Zusammenhalt vor allem von wirtschaftlich schwachen Familien gefährdet.“

Der Urlaub ist für das Selbstbewusstsein von Jugendlichen und Kindern besonders wichtig. Laut einer Umfrage des Instituts YouGov finden etwa 59 Prozent, dass Mama und Papa im Urlaub glücklicher sind als im Alltag. Für sieben von zehn Elternpaaren ist auch die Zeit mit den Kindern die Urlaubsaktivität Nummer eins. Etwa zwei Drittel der Eltern haben laut einer Umfrage des Instituts Sinus im Auftrag der AOK eine schöne Zeit in der Familie im gemeinsamen Urlaub.

Und: Reisen kann auch Kinder bereits schlau machen und erheblich Aggressionen abbauen – denn fremde Reize, andere Sprachen, Tiere, Farben, Düfte oder Geräusche verbessern die Fähigkeit des Gehirns, Wissen zu erwerben, sich zu strukturieren, Lernerfahrungen zu sammeln. Darauf wies der Hildesheimer Hirnforscher Kristian Folta-Schoofs schon vor Jahren hin.

von

Günter Schwarz – 30.08.2016