Moskau schließt Amnesty International-Büro
(Moskau) –Die Stadtverwaltung der russischen Hauptstadt Moskau hat das Büro der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) in der Stadt überraschend geschlossen beziehungsweise schließen lassern. Mitarbeiter standen am Dienstag vor verriegelten Türen, die Schlösser waren ausgetauscht, die Türen versiegel und der Strom abgedreht. Die Stadtverwaltung spricht von Mietrückständen, was AI dementiert. AI hatte zuletzt Untersuchungen zu Foltervorwürfen in einem russischen Straflager gefordert.
Es sei mit dem Hinweis versiegelt gewesen, dass die Räumlichkeiten der Russischen Föderation gehörten und dass sich die Organisation an die Stadtverwaltung von Moskau richten solle, um weitere Informationen zu erhalten.
Man habe die Gruppe mehrmals gewarnt, erklärte die Stadtverwaltung, die das Büro vermietet. Weil AI die Warnungen ignoriert und gegen den Mietvertrag verstoßen habe, seien die Räumlichkeiten geschlossen und versiegelt worden. Die Organisation sprach dagegen von einer „bizarren Behauptung“. Man könne mit Unterlagen belegen, dass man die Miete pünktlich bezahlt habe.
Kontakttelefonnummer unbesetzt
Das Büro von Amnesty befindet sich dort seit 20 Jahren. Nun sind die Schlösser ausgetauscht und die Stromversorgung ist gekappt worden. „Angesichts der aktuellen Stimmung gegenüber Zivilgesellschaftsorganisationen in Russland gibt es unzählige mögliche Erklärungen, aber es ist zu früh, um irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen“, sagte John Dalhuisen, Direktor von AI Europa, am Mittwoch.
„Wir arbeiten daran, die Lage so rasch wie möglich zu klären, und hoffen sehr, dass es eine einfache administrative Erklärung für diesen Rückschlag für unsere Arbeit gibt“, so Dalhuisen weiter.
Foltervorwürfe an Behörden
Zuvor hatten Vorwürfe der systematischen Folter in einem russischen Straflager die Öffentlichkeit erschüttert. In einem von russischen Medien veröffentlichten Brief beschrieb der oppositionsnahe Aktivist Ildar Dadin regelmäßige Schläge und Todesdrohungen in einer Kolonie in der nordwestlichen Teilrepublik Karelien. Amnesty International hatte eine Untersuchung gefordert.
NGO-Mitarbeiter als „ausländische Agenten“
Nichtregierungsorganisationen werden in Russland seit Jahren scharfen Kontrollen unterworfen. Wenn solche Organisationen aus dem Ausland finanziert werden und eine „politische Aktivität“ entfalten, müssen sie sich als „ausländische Agenten“ registrieren lassen. Im Mai wurde ein Gesetz beschlossen, nach dem ausländische Organisationen ohne Gerichtsentscheid geschlossen werden können, wenn sie die „nationale Sicherheit“ Russlands oder die „Verfassungsordnung“ gefährden.
von
Günter Schwarz – 03.11.2016