(München) – Sieben Anwohner haben geklagt und haben „Recht“ bekommen. Nun wird im Münchner Stadtteil Neuperlach eine vier Meter hohe Lärmschutzwand vor einem Flüchtlingsheim errichtet. Ein Stadtteilpolitiker zeigt sich entsetzt. Jahrelang stritten Anwohner im Münchner Viertel Neuperlach und die Stadt München um eine neue Flüchtlingsunterkunft. Nun nimmt der Kompromiss, den beide Seiten errungen haben, Gestalt an: Eine Lärmschutzwand schirmt das Wohnheim künftig von den umliegenden Wohnhäusern ab. Vier Meter hoch ist die massiv wirkende Mauer.

Eine Lösung, die dem Stadtteilpolitiker Guido Bucholtz überhaupt nicht gefällt. Der stellvertretende Vorsitzende im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach stellte ein Video des Baufortschritts der neuen Lärmschutzwand ins Internet. Darin zieht der parteilose Politiker Vergleiche zur Berliner Mauer. Diese war mit einer Höhe von 3,60 Metern sogar 40 Zentimeter niedriger als die Lärmschutzwand in Neuperlach.

„Steht man davor, dann realisiert man erst, was für ein Ausmaß dieser Klotz hat“, sagt Bucholtz der „Welt“. Weil das Grundstück, auf dem die Flüchtlingsunterkunft gebaut wird, tiefer liege, wirke sie für die Asylbewerber sogar noch monströser. „Die Mauer ist das Gegenteil von Integration“, sagt Bucholtz. Man habe damit Menschen Recht gegeben, die andere ausgrenzen wollen.

Anwohner klagten gegen Baugenehmigung

In der Flüchtlingsunterkunft an der Nailastraße sollen bald 160 junge Asylbewerber, darunter auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, untergebracht werden. Um das Wohnheim gab es einen jahrelangen Streit, wie der „Münchner Merkur“ berichtet. Zuletzt hatten sieben Anwohner gegen die Baugenehmigung geklagt.

Dem Bericht zufolge liegen ihre Häuser rund 25 Meter hinter der Grundstücksgrenze der Unterkunft. Zudem trennten ein Grünstreifen mit Bäumen und Büschen sowie ein Fuß- und Radweg ihre Grundstücke von dem Wohnheim. Doch die Anwohner argumentierten, der Lärmschutz sei nicht ausreichend.

Im Juni schlossen sie mit der Stadt vor dem Verwaltungsgericht München einen Vergleich. Darin festgehalten sind neben einer Höhe von vier Metern, die ein Schallschutzgutachten ergab, noch weitere Punkte. So soll die Mauer dem Bericht zufolge so gebaut werden, dass an ihr nicht geklettert werden kann und sie sich nicht für Ballspiele eignet. Auf Streetball-Plätze an der Mauerseite hatte die Stadt demnach bereits verzichtet.

Die Lärmschutzwand besteht aus Drahtgefäßen, die mit Steinen gefüllt sind. Sie soll noch begrünt werden. Die so entstandene Mauer zäunt die Unterkunft allerdings nicht komplett ein, sondern erstreckt sich lediglich an der Seite der Grundstücke der Anwohner. An ihren Enden knickt sie wie bei einem U nach innen ab.

„Das darf nicht Vorbild werden“

Die erforderliche Höhe von vier Metern kann Stadtteilpolitiker Bucholtz jedoch nicht nachvollziehen. Bei einer Flüchtlingsunterkunft im nahen Ramersdorf, die an der A 8 liegt, habe man eine vergleichbare Lärmschutzwand gebaut. „Trotz achtspuriger Autobahn ist die Mauer dort nur drei Meter hoch“, sagt Bucholtz.

Voraussichtlich im Frühjahr 2017 soll die Flüchtlingsunterkunft nach einigen Verzögerungen in Neuperlach fertiggestellt werden. Mit dem Bau der Lärmschutzwand habe man nun „den Kontrast zur Willkommenskultur zementiert“, sagt der Stadtteilpolitiker. Er fürchtet, dass solche Mauern Schule machen könnten: „Das darf nicht Vorbild für andere Flüchtlingsunterkünfte werden.“

Erst vor Kurzem hatte ein Unternehmen im nordrhein-westfälischen Schwerte für Empörung gesorgt. Der Geschäftsführer schottete seinen Betrieb mit Natodraht und Stahlträgern gegen eine benachbarte Flüchtlingsunterkunft ab. Die Stadt stellte daraufhin zum Schutz einen Bauzaun auf und prüfte rechtliche Schritte. Ende Oktober einigten sich beide Seiten auf einen gewöhnlichen Stahlzaun.

von

Günter Schwarz  – 06.11.2016