Aus der Redaktion der Sylter Rundschau vom 5. November 2016

Auf der Nösse-Halbinsel wurde die vermutlich schönste Ringfibel Deutschlands gefunden – und ist wohl mehr als 1000 Jahre alt.

Sylt | Diese Geschichte lässt nicht nur Archäologenherzen höher schlagen. Sie lässt sich auch spannend erzählen: Fast zwei Generationen zurück pflügt ein fleißiger Morsumer Bauer seine Felder. Plötzlich blinkt etwas im Boden und er bückt sich, um es aufzuheben. In Händen hält er mehrere Stücke aus Metall, rund geformt, teilweise mit goldenen Kugeln versehen und augenscheinlich sehr alt.

Was der Sylter da in Händen hält, soll jetzt als „Wikingerschatz von Morsum“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Doch noch ist es nicht soweit. Der findige Bauer wendet sich an das Landesmuseum Schloss Gottorf in der Hoffnung, hier zu erfahren, was er aus dem Boden gepflügt hat und wie er mit dem wertvollen Fund umgehen soll. Die Fachleute erkennen in dem Stück einen Armring aus Silberdraht, der geschichtlich in die Zeit der Wikinger einzuordnen ist. Und die ist mehr als 1000 Jahre her. Der Armring wird angekauft und befindet sich heute in Schleswig. Was der Morsumer nicht gleich preisgibt, ist das zweite Fundstück. Auch hier handelt es sich um einen Ring aus Metall, ein Armreif ist es allerdings nicht. Auf dem silbernen, an einer Seite offenen Oval befinden sich drei goldene Kugeln, die mythologische Verzierungen in Form von Drachen tragen.


Bei dieser Ausschnittsvergrößerung ist zu erkennen, dass die Kugeln mit einem Drachen verziert sind.
Die Zeit schreitet voran, der Fund gerät – in eine Zigarrenkiste verpackt – weitgehend in Vergessenheit. Doch Sylt hat nicht nur fleißige Bauern, sondern auch fürsorgliche Ärzte. Einer von ihnen ist der Hausarzt der Familie und begeistert sich für die Natur sowie Insel- und Vorgeschichte Sylts. Interessiert hört er von dem geheimnisvollen Fund und bekommt diesen schließlich für seine langjährigen sorgenden Dienste von der Familie geschenkt.

Das erweist sich für die Insel jetzt als echter Glücksfall, denn für den Sylter Arzt gibt es keine Diskussion darüber, wie es mit diesem Fundstück weitergeht: Es gehört ins Heimatmuseum nach Keitum.

Als zweiter Glücksfall in dieser märchenhaften Geschichte kommt nun der Freund des Arztes ins Spiel. Der ist diplomierter Prähistoriker und Leiter des Referats für Küsten- und Meeresarchäologie am Niedersächsischen Institut für Küstenforschung: Dr. Martin Segschneider.


Wie bei diesem neuen Exemplar hält die Ringfibel durch Spange und Stab das Gewand. Der Stab der Morsumer Ringfibel ist verschollen. Foto: 2.bp.blogspot.com
Martin Segschneider erkennt sofort den historischen Wert des Metallrings und ordnet ihn als sogenannte ‚Ringfibel‘ ein. „Der Name ist etwas irreführend, denn eine Ringfibel ist eigentlich eine Gewandspange und hat mit unserem Verständnis des Wortes Fibel nichts zu tun. Der Name leitet sich von dem lateinischen Begriff ‚Fibula‘ ab, übersetzt bedeutet das eben Spange.“ erklärt der Wissenschaftler und seine Augen leuchten, als er das wahrscheinlich über tausend Jahre alte Fundstück in seinen mit Handschuhen geschützten Händen hält.

„Es handelt sich um einen neuartigen Fund für Sylt, vielleicht sogar für ganz Deutschland. Diese Ringfibel hat wahrscheinlich eine hochgestellte männliche Person ausgezeichnet, denn sie ist detailreich und kostbar gearbeitet und vielfach verziert. So etwas hat der gemeine Mann damals nicht getragen, um sein Gewand zusammenzuhalten. Die mythologischen Drachen, die mit Golddrähten auf die drei Kugeln aufgebracht sind, sollten ihren Träger schützen“, erklärt er, „die Ringfibel ist zusammen mit dem silbernen Armreif bewusst da auf der Nösse-Halbinsel vergraben worden, von wo es einen weiten Blick über das Meer gibt. Diese Position begründet sich aus der sehr starken Bindung zum Meer und zur Seefahrt in dieser Zeit. So können Ringfibel und Silberreif ein Opfer an die Götter gewesen sein.“

Um die weitere wissenschaftliche Bearbeitung voranzutreiben, steht der auf Amrum aufgewachsene Martin Segschneider zur Verfügung. „Bei diesem außerordentlichen Stück braucht es die konservatorische Kompetenz des Landesmuseums Schloss Gottorf. Das kann das Museum auf Sylt so nicht leisten. Doch ist es der feste Wunsch des jetzigen Besitzers, dass die Ringfibel hier auf Sylt gezeigt wird, denn hier gehört sie seiner Meinung nach hin.“


Das Exponat ist um die tausend Jahre alt. Damit Schmutz und Fett es nicht beschädigen, darf es nur mit Handschuhen angefasst werden.
Die Verhandlungen mit dem Landesmuseum laufen, die sorgsame Aufarbeitung des Exponats ist bereits abgeschlossen. Zusammen mit einer Replik des Silberreifs soll es in Keitum als ‚Wikingerschatz von Morsum‘ gezeigt werden. Dafür muss die Söl’ring Foriining entsprechende Vorbereitungen treffen. „Die Ringfibel muss in einer diebstahlsicheren Vitrine ausgestellt werden und kann zusammen mit der Replik des Silberreifs sicher das Zentrum einer neukonzipierten Ausstellung zum Zeitalter der Wikinger und Friesen auf Sylt sein.“ regt der Prähistoriker an.

Dieser professionelle Ansatz stößt sowohl beim Vorstand der Söl’ring Foriining, zu der das Heimatmuseum gehört, als auch bei seinem neuen Leiter Alexander Römer und dem Geschäftsführer der Söl’ring Foriining, Sven Lappoehn, auf offene Ohren. Zusammen mit der Sylter Rundschau ist für den 16. Dezember bereits ein Vortrag von Martin Segschneider geplant, in welchem er ausführlich die Ringfibel vorstellen wird. „Und wer weiß“, schmunzelt der Prähistoriker, „vielleicht finden wir in Morsum ja sogar noch weitere Teile des ‚Morsumer Wikingerschatzes‘“.  

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Quelle: Schleswig-Holsteinische Landeszeitung – 06.11.2016

http://www.shz.de/lokales/sylter-rundschau/wikingerschatz-von-morsum-der-sensationsfund-aus-der-zigarrenkiste-id15261591.html