(Berlin) – Sigmar Gabriel verzichtet auf die SPD-Kanzlerkandidatur und gibt auch das Amt des Parteichefs ab. Als Herausforderer von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 soll der frühere Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, antreten, wie Gabriel am Dienstag vor der Bundestagsfraktion bekanntgab. Auch soll Schulz neuer Parteivorsitzender der SPD werden.

Gabriel gibt auch sein Amt als Wirtschaftsminister auf und strebt nun den Posten des Außenministers an. „Wenn ich jetzt antrete, würde ich scheitern und mit mir die SPD“, begründete Gabriel seinen Verzicht ergänzend in einem Interview mit dem Magazin „Stern“. Schulz habe „die eindeutig die besseren Wahlchancen“. Die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte der Vize-Kanzler scharf.

In SPD-Kreisen hieß es, Schulz solle auf einem Sonderparteitag voraussichtlich kommenden Monat zum Parteichef gewählt werden. Dafür werde der für Mai geplante reguläre Parteitag vorverlegt. In SPD-Fraktionskreisen hieß es zudem, die bisherige Staatssekretärin Brigitte Zypries solle neue Wirtschaftsministerin werden. Führende SPD-Politiker zollten Gabriel Respekt für die Entscheidung, Vertreter anderer Parteien äußerten sich skeptisch. Zuvor hatte sich die Parteispitze mit internen Umfragen befasst, wonach Merkel bei den SPD-Wählern beliebter ist als Gabriel, Schulz die Kanzlerin dagegen deutlich hinter sich lässt.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte, es sei richtig, dass Gabriel auch das im November 2009 übernommene Amt des Parteichefs abgebe. Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz gehörten in eine Hand. Die Entscheidung, die Gabriel aus einer Position der Stärke heraus getroffen hat, verdiene größten Respekt, es habe in der Fraktion langanhaltenden Beifall gegeben. Gabriel selbst trat bis zum Abend nicht vor die Presse und äußerte sich lediglich in einer schriftlichen Erklärung, in der er Merkel für die „immer tieferen Krisen der EU“ verantwortlich machte. „Es braucht … einen glaubwürdigen Neuanfang zur großen Koalition. Und den repräsentiert Martin Schulz in der deutschen Öffentlichkeit mehr als jeder andere von uns“, schrieb Gabriel.

In der Fraktion sagte Gabriel laut Teilnehmern, nach Umfragen wollten die Menschen keine Fortsetzung der großen Koalition, für die er jedoch in den Köpfen der Bevölkerung stehe. Für die SPD endet mit der Entscheidung Gabriels eine Monate währende Hängepartie. Bis zuletzt rechneten Insider mit einer Kandidatur Gabriels gegen Merkel bei der Bundestagswahl am 24. September.

„Die Fraktion hat seine Entscheidung mit lang anhaltendem Beifall zur Kenntnis genommen“, sagte Oppermann und spiegelte damit die Meinung führender Parteimitglieder. Der Vorsitzende der SPD-Linken in der Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, sagte, die Partei werde einen enormen Motivationsschub bekommen, „weil Martin Schulz hohe Anerkennung in der Bevölkerung genießt“. SPD-Präsidiumsmitglied Florian Pronold sagte, Gabriel habe der SPD eine Chance eröffnet, gestärkt aus der Bundestagswahl hervorzugehen.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber setzte auf eine faire Auseinandersetzung mit der SPD. „Die CDU kämpft mit Angela Merkel für Maß & Mitte. Die SPD tritt mit Schulz an. Wir freuen uns auf einen fairen Wahlkampf“, twitterte Tauber. Der CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Fuchs gab sich siegesgewiss: er gehe davon aus, „dass auch Herr Schulz zweiter Sieger bleibt – wie die drei Vorgänger“.

Skeptisch äußerte sich Linken-Parteichefin Katja Kipping: „Ob Martin Schulz ein Zeichen für einen fortschrittlichen Politikwechsel wird, ist unbestimmt.“ Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt erklärt über Twitter: „Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung von @sigmargabriel. Aber er ist auch nicht weg“. Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry lehnte Schulz ab. „Symbol für EU-Bürokratie und ein tief gespaltenes Europa als Kanzlerkandidat?“ twitterte sie.

Die SPD-Spitze wollte nach bisheriger Planung am kommenden Sonntag entscheiden, wer die Sozialdemokraten als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl führen soll. Bislang waren neben Gabriel auch Schulz und der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz als Herausforderer von Kanzlerin Merkel im Gespräch. Allerdings wurde Schulz auch als Nachfolger von Außenminister Frank-Walter Steinmeier gehandelt, der am 12. Februar zum Bundespräsidenten gewählt werden soll.

von

Günter Schwarz – 24.01.2017