Frank Walter Steinmeier kann Bundespräsident, davon sind wir überzeugt, aber ein Alleskönner ist der ehemalige Bundesaußenminister deshalb noch lange nicht. 59 Prozent der Deutschen erwarten in Steinmeier einen guten Bundespräsidenten zu bekommen.

Steinmeier kandidiert am heutigen Sonntag für die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck und gilt dabei als klarer Favorit bei der Wahl durch die Bundesversammlung im Deutschen Reichstag in Berlin. Allerdings tritt er ausdrücklich nicht als Kandidat der SPD allein an, sondern als gemeinsamer Kandidat der großen Koalition.

Gelingt es ihm, das Amt ebenso gewissenhaft wie das des Bundesaußenministers zu bekleiden, so hat die Grße Koalition mit ihm eine gute Wahl getroffen. Und hätte Frank Walter Steinmeier in seinem vorherigen Amt Flugmeilen sammeln dürfen, so wäre er schon längst in den erlesenen Vielflieger-Zirkeln. 400.000 Kilometer legte der Außenminister durchschnittlich jährlich zurück, 800 Stunden pro Jahr. Die Folge: Steinmeier ist, zumindest was die Außenpolitik angeht, bestens auf das Amt des Bundespräsidenten vorbereitet.

Von 2005 bis 2009 war er zum ersten Mal Außenminister, von 2013 bis vor gut zwei Wochen ein zweites Mal. Das Credo seiner Arbeit bringt Steinmeier wie folgt auf den Punkt: „In der Interpunktion der Außenpolitik gibt es keinen Punkt, sondern immer nur Kommas.“ Das will heißen, nie den Gesprächsfaden zerschneiden, immer im Gespräch bleiben – zum Beispiel auch im Fall der Türkei.

„Ich bin nicht zufrieden, wenn ich immer nur kluge Statements aus Berlin in schriller Sprache abliefere, von denen ich weiß, dass sie in der Türkei vermutlich gar nicht zur Kenntnis genommen werden. Von daher ist es die größere Überwindung, mitten im Konflikt hinzufliegen und seinem Gegenüber zu sagen, was man von den Verhältnissen hält“, sagt Frank Walter Steinmeier

Mit diesen Eigenschaften und Erfahrungen ist Steinmeier für das Amt des Bundespräsidenten geradezu prädestiniert. Was ihn allerdings weniger prädestiniert als einige seiner Vorgänger ist, dass er nicht als brillanter Redner gilt.

Seine berühmteste Rede ist ein Wutausbruch im Europawahlkampf 2014, als er im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt von Linken als Kriegstreiber beschimpft wurde. „Ihr solltet euch überlegen, wer hier die Kriegstreiber sind. Der Sozialdemokratie muss man nicht sagen, warum wir für Frieden kämpfen“, entgegnete er damals den Linken recht harsch.

Der Ausbruch ist völlig untypisch für Steinmeier, der für manche Linke deshalb ein rotes Tuch ist, weil er 1999 bis 2005 Kanzleramtsminister unter Bundeskanzler Gerhard Schröder war und maßgeblich mitverantwortlich für die Agenda 2010 mit den berühmt-berüchtigten Hartz-IV-Reformen ist.

Außenpolitik, mehr als nur rote Teppiche

Als Politiker ist Steinmeier ein Mann des Ausgleichs. Als SPD-Kanzlerkandidat 2009 scheiterte er deswegen, der Außenminister der Großen Koalition konnte sich als Kanzlerkandidat nicht kantig genug von Angela Merkel absetzen. Er ist mehr der geborene Außenminister oder Bundespräsident.

In seinem Buch „Flugschreiber“ schildert er in berührenden Worten, wie Deutschland auf einen Brief einer Lehrerin aus Donezk in der Ukraine die Fenster der Schule reparieren ließ, und nochmals reparieren ließ, obwohl sie die russlandtreuen Separatisten immer wieder zerstörten.

Sein treffendes wie berührendes Fazit dazu lautet: „Außenpolitik, das sind nicht nur rote Teppiche – manchmal ist Außenpolitik nicht mehr und nicht weniger als das Reparieren zerschossener Schulfenster.“

Wutbürger motivieren, Staatsbürger zu sein

Auch wenn Frank-Walter Steinmeier als Außenminister nicht bloß Schulfenster reparieren ließ, schwingt bei dieser Episode die Frage mit: Was tut er, damit die Fenster nicht immer wieder zerschossen werden? Sprich, als Außenminister wirkte Steinmeier weniger als Gestalter, sondern wie einer, der das Beste aus den Umständen macht.

Sehr eindrücklich aber war er im Privaten: 2010 zog er sich für einige Wochen von der geliebten Politik zurück, um seiner erkrankten Frau eine Niere zu spenden.

Der designierte Bundespräsident Steinmeier ist nicht nur inhaltlich und menschlich gut vorbereitet. Mit seinem silbernen Haar passt er auch gut in das Amt. Seine Herausforderung wird sein: Wie mit der Verrohung der politischen Kultur, den Wütenden und den Wut-Bürgern, wie mit Pegida und mit der AfD umgehen? Wie Wutbürger motivieren, Staatsbürger zu sein.

Silberhaar in aschgrauen Zeiten – das ist quasi Titel und Aufgabe für die Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier.

Seine letzte Rede als Außenminister hielt Frank-Walter Steinmeier im Bundestag am 26. Januar 2017.

von

Günter Schwarz – 12.02.2017