Kulturelle Unterschiede gibt es in allen möglichen Ausprägungen und Facetten. Es gibt sie schon bei uns daheim, denn in der eigenen Familie haben wir schon die Teetrinker und die Kaffeetrinker. Zwischen beiden liegen Welten, denn Teetrinker wirken entspannt. Sie wärmen in aller Ruhe die Kanne vor und zählen dann die Minuten und Sekunden ab, bis der Tee die optimale Ziehzeit erreicht hat. Kaffeetrinker hingegen rasen meist hektisch durch die Gegend, immer einen To-Go in der Hand – was Teetrinker geradezu verabscheuen – und müssen „ihr braunes Gebräu“ alle nasenlang nachschenken. Journalisten gehören in der Regel in die Kategorie der Kaffeetrinker!

Dann gibt es in der Familie noch die Hundehalter und Katzenhalter. Wer eine oder mehrere Katzen hat, ist nicht fremd, dass diese reizenden Tiere (mein Sohn hat so einen „Stubentiger“) überaus eigensinnig und absolut unberechenbar sind. Katzen gewähren huldvoll ihre Gunst – so dann und wann – bis sie oft aus nichtigen Anlässen wieder die Krallen zeigen und fürchterlich kratzen. Hunde hingegen – natürlich mit der Ausnahme von Dackeln – blicken hingebungsvoll zum Herrchen oder zu Frauchen auf und sind demutsvoll, unterwürfig und geradezu abhängig. Insofern tun sich auch zwischen Hunde- und Katzenfreunden kaum überbrückbare kulturelle Gräben auf.

Ferner sind Familien einerseits mit Romanleser gesegnet und jene, die über eine Bauanleitung eines Ikea-Regals nicht hinauszukommen versuchen. Es gibt die Kultur des Fußgängers und Radfahrens und die des Autofahrens, der, wer er könnte, noch zur eigenen Toilette am liebsten mit dem Auto fahren möchte. So kann jedes menschliche Tun verfeinert und vertieft seine eigene Kultur entwickeln.

Und dann gibt es nördlich und südlich der Grenze noch die Kultur der Dänen und die der Deutschen. Welche Unterschiede sich da auftun, ist in den Minderheiten im Grenzland hinlänglich bekannt. Während die einen den Danebrog in den Weihnachtsbaum hängen und darum herum tanzen, kennen sie dafür keine Schultüte und kein Laternelaufen an dunklen Herbstabenden.

Wer in einer katholischen Gegend aufgewachsen ist, trägt eine andere Kultur in sich als der Protestant oder gar der Muslim. Das berührt nicht nur die Ausübung der Religion, sondern es geht oftmals weit darüber hinaus und bestimmt das tägliche Leben religiöser Menschen. Ich erinnere mich noch als Kind in einer protestantischen Familie, dem es von den Eltern und Großeltern verboten war, mit den vier oder fünf katholischen Kindern im Dorf zu spielen, weil sie angeblich die falsche Religion hatten und Katholiken sowieso „falsch“ seien. 

Kulturen können, dürfen und müssen sich überschneiden, um erstens miteinander auszukommen und zweitens sich auch gegenseitig zu respektieren. So kann der Teetrinker sehr wohl ein katholischer Hundehalter sein, der Fahrrad fährt. Aber auch der Kaffeetrinker kann radelnd seinen Hund ausführen und das Auto bevorzugen. Die Berührungspunkte sind unterschiedlich groß und intensiv, aber sie sind vorhanden. Sie müssen nur erkannt und ihre Grenzen dann auch von allen akzeptiert werden.

Ein Muslim muss kein Christ werden, nur weil er oder sie in Dänemark oder Deutschland lebt, aber er oder sie muss die Kultur seiner Umgebung akzeptieren, wie anders herum auch der Däne oder der Deutsche gewisse kulturelle Eigenarten des Muslims akzeptieren und respektieren muss und ihm nicht ein Einladung zum Essen von Eisbein mit Sauerkraut zusenden.

Um es vereinfacht auszudrücken, kann man es wieder mit den Tee- und Kaffeetrinkern vergleichen. So muss ein Teetrinker nicht zum Kaffee wechseln, aber er soll auch nicht seinen Tee in den Kaffee des Nachbarn schütten. Vielleicht kann man ab und an am Getränk des anderen nippen. Und der darf seine Lieblingsteesorte oder –kaffeesorte anbieten. 

Aber keiner in berechtigt andere zu ihrer Lebensweise zwingen. Katzenhalter müssen nicht zum Hundeherrchen mutieren. In die inhaltlich auf Kant zurückgehende Jahrtausende alte Weisheit „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“ liegt die ganze Weisheit eines friedlichen Zusammenlebens der Kulturen.

von

Günter Schwarz – 25.02.2017