Lars von Trier, der dänische Filmregisseur und Drehbuchautor kommt am 30. April 1956 in København zur Welt und feiert heute seinen 61. Geburtstag.

Lars von Trier ist der zweite Sohn von Inger Høst (1915–1989) und dem dänischen Juden Ulf Trier (1907–1978). Ulf Triers Vorfahren Salomon und Ethel Trier waren im 18. Jahrhundert aus Trier nach Dänemark eingewandert. Inger Høst und Ulf Trier lernten sich während der deutschen Besetzung Dänemarks in der dänischen Widerstandsbewegung kennen, wo sie Juden halfen, über den Øresund ins sichere Schweden zu fliehen. Nach von Triers Angaben waren seine Eltern Kommunisten, gehörten einer Gemeinschaft von Nudisten an und erzogen ihn antiautoritär.

Erst im Alter von 33 Jahren erfuhr von Trier, dass Ulf Trier nicht sein leiblicher Vater und er somit nicht jüdischer Abstammung war. Kurz vor ihrem Tod gestand von Triers Mutter ihrem Sohn, dass sein leiblicher Vater ihr ehemaliger Vorgesetzter im Sozialministerium Fritz Michael Hartmann sei. Die deutschstämmige Familie Hartmann lebt mit Johann Ernst Hartmann seit 1762 in Dänemark. Sie hat einige bedeutende dänische Musiker, wie den Komponisten Johann Peter Emilius Hartmann, hervorgebracht.

Nach eigenen Angaben war von Trier tief enttäuscht darüber, keine jüdischen Wurzeln zu haben. Er habe sich in der Rolle eines Außenseiters, der aus einer Gruppe von Verfolgten stammte, wohl gefühlt. In der Synagoge habe er sich immer zugehöriger gefühlt als in evangelischen oder katholischen Kirchen.

Ein Onkel mütterlicherseits war Børge Høst, ein Filmregisseur, der wohl sein Interesse fürs Filmemachen weckte. Bereits als Grundschüler drehte er mit einer Kamera im Super-8-Format kleine Animationsfilme, später dann Kurzfilme mit seinen Freunden. Sein erster dokumentierter Animationsfilm von circa 1967 hieß „Turen til Squashland“ (Die Reise ins Zucchiniland) und dauerte eine Minute.

Von Trier litt bereits in seiner Kindheit unter Depressionen und Phobien und konnte einige Zeit nicht die Schule besuchen. Er wurde psychiatrisch betreut. Mit zwölf Jahren besuchte er ein Tagesheilungszentrum. Trotzdem spielte er 1969 eine der zwei Hauptrollen in der dänisch-schwedischen Kinderfernsehserie „Hemmelig sommer“ (Geheimnis Sommer).

In seiner ersten Ehe war von Trier bis 1996 mit der dänischen Regisseurin, Drehbuchautorin und Schauspielerin Cæcilia Holbek Trier verheiratet, die wie er an der Dänischen Filmschule studiert hat. Während der zweiten Schwangerschaft von Cæcilia Holbek Trier verliebte er sich in die verheiratete Bente Frøge, eine Erzieherin, die seine Tochter in der Kindertagesstätte betreute. Drei Wochen nach der Geburt seiner zweiten Tochter verließ er offiziell seine Ehefrau, um mit Bente Frøge zusammen zu sein. Dieses Verhalten führte zu einem gewaltigen Medienecho in Dänemark. Bente und Lars von Trier heirateten nach beider Scheidungen 1997. Bente Trier brachte nach einigen Jahren Zwillingssöhne zur Welt. Die Ehe hielt bis 2015. Lars von Trier ist zum zweiten Mal geschieden.

Von Triers psychische Probleme führten zu Alkoholismus und Tablettenabhängigkeit. In einem Interview mit der Tageszeitung „Politiken“ gab der Regisseur an, in berauschtem Zustand besonders produktiv zu sein und gab gleichzeitig seiner Sorge Ausdruck, ohne Rauschmittel keine Filme mehr machen zu können.

Nach dem externen Abitur begann von Trier 1976 ein Studium der Filmwissenschaften an der Universität København , bei dem er vor allem Leute kennenlernte, die ihm halfen, seine Filme zu verwirklichen. Von 1979 bis 1983 absolvierte er die Dänische Filmhochschule in der Fachrichtung Regie. 1980 gewann Lars von Trier mit seinem Kurzfilm „Nocturne“ den ersten Preis beim Festival der Filmhochschulen in München.

Seine 55-minütige Regie-Abschlussarbeit an der Dänischen Filmhochschule „Befrielsesbilleder“ (Bilder der Befreiung) von 1982 wurde auf dem Münchner Filmfest als bester Film des Jahres ausgezeichnet. Der Film wurde aus drei verschiedenen Materialien collagiert: erstens einem in Farbe neu gedrehten „Handlungsteil“, zweitens vorhandenem Dokumaterial in Schwarz-Weiß aus der Zeit des Nationalsozialismus, wie die Vorführfahrt des „Wessel-Mörders“ im Auto oder Filmausschnitten über die Festnahme von Kollaborateuren des nationalsozialistischen Deutschlands in Dänemark, und drittens verschiedenen Filmausschnitten in 1950er-Jahre-Farben von jeweils einem Vogel, der auf der Spitze eines Baumes zwitschert. Im Film wird wenig in Deutsch, Dänisch oder Englisch gesprochen. „Bilder der Befreiung“ zeigt keine glücklichen Menschen, wie der Titel vermuten lassen könnte, sondern deutsche Soldaten, Kollaborateure und dänische Frauen, die mit den deutschen Besatzern zusammenwaren, als Verlierer und Opfer.

Viele der filmischen Ideen, wie z. B. die Unterbrechung des Handlungsverlaufs, Unterlegung des Films mit Chorälen oder die Kombination SS-Uniformen, Wasser und Feuer, tauchen in seinen späteren Filmen wieder auf.

Neben seinen Spielfilmen drehte Lars von Trier auch Werbespots und Musikvideos. 1983 drehte er zusammen mit Vladimir Oravsky für das dänische Popduo Laid Back „Elevator Boy“ und 1990 das spektakuläre „Bakerman“-Video, das die Musiker beim Musizieren in freiem Fall beim Fallschirmsprung filmte.

2005 schrieb Lars von Trier bei einer Folge der dänischen Comedy-Serie „Klovn“ mit. Die entsprechende Folge namens „It’s a Jungle Down There“ lässt sich auf der Webseite des amerikanischen Filmverleihs drafthouse films gratis herunterladen. Als Christian Ulmen 2017 mit „jerks“ (Nulpen) die dänische Serie nach Deutschland adaptierte, diente von Triers Folge der zweiten Episode „Camilla“ als direktes Vorbild.

1984 kam sein erster Langfilm, der Krimi „The Element of Crime“, ins Kino. In diesem Film wird der Faszination für faschistoide Symbole noch mehr Raum gegeben als im Vorgängerfilm. „The Element of Crime“ ist der erste Teil einer Europatrilogie, die sich mit der Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, Überbleibseln archaischer Gesellschaftsformen und dem Verfall Europas auseinandersetzt. „The Element of Crime“ gewann bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes den Prix Vulcain de l’artiste technicien und bedeutete den nationalen und internationalen Durchbruch für von Trier. Die weiteren Teile der Trilogie waren 1987 „Epidemic“, der ebenfalls Wettbewerbsfilm in Cannes war, und „Europa“ (1991), der dort ebenfalls mit dem „Prix Vulcain de l’artiste technicien“ ausgezeichnet wurde und einen Sonderpreis der Jury sowie den Preis für den besten künstlerischen Beitrag erhielt.

1988 verfilmte Lars von Trier für Danmarks Radio die griechische Tragödie „Medea“ nach Euripides. Basis seines selbst geschriebenen Drehbuchs war das bereits vorhandene Skript von Carl Theodor Dreyer und Preben Thomsen.

1991 startete von Trier zusammen mit Niels Vørsel das Filmprojekt „Dimensions“, die Langzeit-Verfilmung einer polizeilichen Intrige, die auf jährlich drei Minuten Drehzeit beschränkt sein sollte und die (unter anderem mit dem Schauspieler Udo Kier), an verschiedenen Drehorten in Europa gedreht und im Jahr 2024 fertiggestellt werden sollte. Gedreht wurde ohne Drehbuch und auf Englisch. Der Schauspieler Eddie Constantine starb 1993. Nach Angaben der Zeitung „Die Welt“ hat von Trier das Projekt inzwischen aufgegeben, da er mit anderen Projekten ausgelastet und die von ihm ausgesuchte Nachfolgerin für die Regie Katrin Cartlidge zwischenzeitlich verstorben ist. Es gibt eine 27 Minuten lange Version des im Jahr 2010 abgebrochenen Projektes.

Die TV-Serie „Hospital der Geister/Geister/Riget/The Kingdom“ von 1994 spielt im zweitgrößten dänischen Krankenhaus Rigshospitalet. Lars von Trier ließ sich dafür von „Twin Peaks“ inspirieren. Lars von Trier und Niels Vørsel schrieben das Drehbuch sehr schnell und unter möglichst großem Spaß. Die Serie war in Dänemark ein großer Erfolg, da sie sowohl äußerst lustig als auch sehr spannend war und von Folge zu Folge immer gruseliger wurde. 1997 folgte die zweite Staffel. Eine eigentlich geplante Fortsetzung scheint kaum mehr möglich, da zwei Schauspieler (Rollen: Frau Drusse, Dr. Helmer) verstorben sind und Lars von Trier und Niels Vørsel nicht mehr zusammenarbeiten.

von

Günter Schwarz – 30.04.2017