(Washington / Moskau / New York) – Während das Weiße Haus noch mehrere Optionen in Sachen Syrien-Krieg erwägt, hat sich UNO-Generalsekretär Antonio Guterres „tief beunruhigt“ gezeigt und davor gewarnt, dass die Situation außer Kontrolle geraten könne. Guterres bezog sich dabei am Mittwoch vor allem auf den nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff der syrischen Armee gespaltenen UNO-Sicherheitsrat und den eskalierenden Konflikt zwischen den USA und Russland. Moskau wies die von US-Präsident Donald Trump angekündigte Vergeltung für den Giftgasangriff in Syrien zurück.

US-Präsident Donald Trump hatte auf Twitter als Vergeltung für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Duma einen Raketenangriff auf Syrien angekündigt, eine endgültige Entscheidung ist laut Weißem Haus aber noch nicht gefallen.

Unterdessen brachten syrische Regierungstruppen die Rebellenhochburg Ostghuta bei Damaskus nach russischen Angaben vollständig unter ihre Kontrolle. Die Fahne der syrischen Regierung sei auf einem Gebäude der Stadt Duma gehisst worden, sagte der russische General Jurij Jewtuschenko am Donnerstag nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Das bedeute, dass die syrische Regierung „die Kontrolle über diese Stadt und folglich über ganz Ostghuta hat“.

UNO-Sicherheitsrat gespalten

Guterres zeigte sich „tief beunruhigt“ über die derzeitige Spaltung des UNO-Sicherheitsrats in der Syrien-Frage. „Ich habe die Entwicklungen im Sicherheitsrat genau verfolgt und bedaure, dass der Rat bisher nicht in der Lage war, zu einer Einigung in dieser Frage zu kommen“, sagte Guterres mit Blick auf die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien. Es dürfe nicht vergessen werden, dass die UNO-Bemühungen letztlich darauf abzielen müssten, „das schreckliche Leid des syrischen Volkes zu beenden“.

Der Sicherheitsrat hatte erst am Dienstag zu Syrien getagt. Russland legte bei der Dringlichkeitssitzung erwartungsgemäß sein Veto gegen einen von den USA vorgelegten Resolutionsentwurf zu dem jüngsten mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien ein. Zwei von Russland zur Abstimmung vorgelegte Resolutionsentwürfe wurden ebenfalls abgelehnt. Der UNO-Sicherheitsrat befasst sich am Donnerstag erneut mit dem Syrien-Konflikt.

Trump-Warnung an Russland

Trump hatte am Mittwoch als Vergeltung für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien einen Raketenangriff angekündigt und dabei ausdrücklich Russland vor einer Unterstützung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad gewarnt. Moskau habe angekündigt, „alle auf Syrien abgefeuerten Raketen abzuschießen“, schrieb der US-Präsident in einem Tweet. „Bereite dich vor, Russland, denn sie werden kommen, hübsch und neu und ‚smart‘!“

Russland wies Trumps Drohungen entschieden zurück. „Alle Seiten“ müssten Schritte unterlassen, die in Wirklichkeit „durch nichts gerechtfertigt“ seien, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow. Moskau beteilige sich nicht an Trumps „Twitter-Diplomatie“. Auch Präsident Wladimir Putin mahnte zu Zurückhaltung, er hoffe, „dass der gesunde Menschenverstand letztlich die Oberhand behält“.

„Alle Optionen liegen auf dem Tisch“

Trumps Sprecherin Sarah Sanders betonte später erneut, die USA sähen Assad und Moskau in der Verantwortung für den mutmaßlichen Chemiewaffenangriff. Eine endgültige Entscheidung über einen Raketenangriff sei indes noch nicht gefallen: „Alle Optionen liegen auf dem Tisch.“ Am Abend würden mit Verteidigungsminister Jim Mattis und CIA-Chef Mike Pompeo im Weißen Haus die möglichen Optionen diskutiert.

Pompeo für Maßnahmen gegen Russland

Pompeo signalisiert eine harte Haltung gegenüber Russland. Die Zeiten seien vorbei, in denen Russland durch eine schwache US-Politik aggressives Verhalten ermöglicht worden sei, wird der CIA-Direktor laut Redetext am Donnerstag bei der Senatsanhörung zu seiner Nominierung als US-Außenminister sagen. Er wird verschiedene Schritte anführen, die die härtere Linie von Trump gegenüber der Regierung in Moskau unterstreichen sollen, darunter Sanktionen und die Ausweisung russischer Diplomaten. In Trumps nationaler Sicherheitsstrategie sei Russland zu Recht als eine Gefahr für die USA identifiziert worden, so Pompeo. Er soll dem Text zufolge aber auch sagen, dass die schwierige Russland-Diplomatie fortgesetzt werden müsse.

Unterschiedliche Interessen

Am Abend telefonierte Trump überdies mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan zu Syrien, wie aus Erdoğans Umfeld verlautete. Beide hätten ihre Sichtweise ausgetauscht, hieß es. Details wurden nicht bekannt. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hatte Russland und die USA zuvor zur Mäßigung aufgerufen. Das NATO-Mitglied Türkei und Russland hatten sich zuletzt angenähert. Ankara unterstützt allerdings gegen Assad kämpfende Rebellen, während Moskau ein treuer Verbündeter Assads ist.

Auch Frankreich will über Angriff entscheiden

Die britische Premierministerin Theresa May berief unterdessen für Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung ihres Kabinetts zum Syrien-Konflikt ein. Dabei werde Großbritanniens Reaktion auf den mutmaßlichen Chemiewaffenangriff diskutieren, teilte ihr Büro mit. Großbritannien bringt einer Zeitung zufolge zudem bereits seine U-Boote für einen etwaigen Militärschlag in Stellung. May habe befohlen, dass sich die U-Boote in Reichweite für einen Angriff mit Tomahawk-Marschflugkörpern bringen, berichtete der „Daily Telegraph“ unter Berufung auf Regierungskreise. Der Angriff könne Donnerstagnacht beginnen.

Auch Frankreich erwägt einen möglichen Militärangriff in Syrien. Präsident Emmanuel Macron will in den kommenden Tagen eine Entscheidung treffen. Er versicherte im Vorfeld, ein Angriff würde auf Chemiewaffeneinrichtungen in dem Bürgerkriegsland, nicht auf Assad-Verbündete abzielen. Angesichts eines möglicherweise unmittelbar bevorstehenden US-Angriffs begann die syrische Armee indes nach Angaben von Aktivisten bereits mit der Evakuierung von Gebäuden in Damaskus.

Kann Deutschland in den Konflikt hineingezogen werden?

Die Bundeswehr beteiligt sich seit Ende 2015 in Syrien und im Irak am Kampf gegen den IS – mit Tornado-Aufklärungsjets und einem Tankflugzeug. Die Tornados machen Bilder, mit deren Hilfe andere Verbündete wie die USA Luftschläge gegen die Extremistne ausführen – aber eben nur gegen die Islamisten. Für eine Beteiligung an einem Angriff auf syrische Regierungstruppen fehlt der Bundeswehr die rechtliche Grundlage. Der Bundestag müsste also einen ganz neuen Einsatz beschließen oder das bestehende Mandat ausweiten.

Aber ist das nicht denkbar?

Theoretisch schon, wenn auch unwahrscheinlich. Politisch gibt es derzeit keinerlei Forderungen in diese Richtung. Auch wenn die Zahl der Einsätze und der weltweiten Verpflichtungen der Bundeswehr steigt, steht Deutschland aufgrund seiner Geschichte immer noch in einer Tradition militärischer Zurückhaltung. Deutschland scherte etwa 2011 auch aus der Nato-Intervention im libyschen Bürgerkrieg aus. Als einziges großes westliches Land enthielt sich Deutschland – zusammen mit Russland und China – bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat – und musste international viel Prügel einstecken.

Braml sieht das etwas anders. Der USA-Experte schließt nicht aus, dass auch Deutschland in den aktuellen Konflikt hineingezogen wird. Israel habe den Iran in Syrien mit Luftschlägen bereits empfindlich getroffen. Bei derart gefährlichen Situationen müsse man sich auf alle möglichen Szenarien einstellen: „Stellen sie sich vor, dass der Iran auf Israel losschlägt – ich glaube, dann wären wir mit dabei.“

von

Günter Schwarz – 12.04.2018